Tugend

Tugend
   (sprachlich verwandt mit Taugen, Tüchtigkeit) bezeichnete früher in einem weiteren Sinn jede optimal entwickelte geistig-seelische Fähigkeit; im engeren Sinn ist T. die Kraft, das sittlich Gute gern, beharrlich u. gegen Widerstände zu verwirklichen. Der Gegensatz zur T. ist das Laster. In der theol. Ethik wird je nach der Herkunft, dem Wesen u. Ziel der Tugenden zwischen natürlichen u. übernatürlichen Tugenden unterschieden. Die natürlichen Tugenden werden auf die leib-geistige Naturanlage des Menschen zurückgeführt; sie lassen sich durch konsequente Übungen entwikkeln (Habitus). Sie stellen eine Optimierung des natürlichen Charakters u. den Schutz gegen die Vorherrschaft von Begierden u. Trieben dar. Schon in der griech. Antike (Pindar †446 v.Chr.) wurden als die wichtigsten, weil tragenden u. zusammenfassenden Tugenden die vier Kardinaltugenden dargestellt: Klugheit, Gerechtigkeit, Starkmut, Mäßigkeit . Nach der neueren Theologie des Verhältnisses von Natur und Gnade gibt es keine ”natürlichen“ Tugenden, da die ganze menschliche Existenz von Anfang an unter der ”übernatürlichen“ Gnade Gottes steht, auf ihn als ihr Ziel durch die Selbstmitteilung Gottes hingeordnet ist u. die Gnade Gottes ihr ermöglicht, durch positive gute Akte zu diesem Ziel zu gelangen. Die übernatürlichen Tugenden sind die von Gott in der Rechtfertigung (als der Dynamik der Heiligmachenden Gnade ) ”eingegossenen“ Fähigkeiten u. Kräfte, die die ”natürlichen“ Tugenden unmittelbar auf dieses Ziel hin ausrichten. Die Lehre der Stoischen Philosophie über die vier Kardinaltugenden wurde durch Ambrosius († 397) u. Augustinus († 430) mit der Lehre über die drei ”übernatürlichen“ oder ”theologischen Tugenden “ Glaube, Hoffnung u. Liebe verbunden (mit Bezugnahme auf 1 Kor 1, 13), die ”theologisch“ genannt werden, weil sie unmittelbar auf Gott, wie er in sich selber ist, bezogen sind. Durch sie befreit Gott in seiner zuvorkommenden Gnade die Transzendenz des Menschen zur Annahme der göttlichen Offenbarung u. zu der Möglichkeit, ihre eigene Erfüllung in der Anschauung Gottes zu finden. – Die bürgerliche Moral des 19. Jh. beschädigte das überlieferte Tugendverständnis durch ihre Konzentration auf ”Sekundärtugenden“ wie Gehorsam u. Demut. Unter veränderten gesellschaftlichen Existenzbedingungen werden andere Grundhaltungen betont: Solidarität, Wahrhaftigkeit, Toleranz, Gewissensfreiheit, oder besondere Seiten der überlieferten Tugenden hervorgehoben, z. B. asketische Tugenden wie Konsumverzicht.

Neues Theologisches Wörterbuch. . 2012.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Tugend — Tugend …   Deutsch Wörterbuch

  • Tugend — Sf std. (9. Jh.), mhd. tugent, tugende, ahd. tugund(i), tuged, mndd. doge(n)t, mndl. doget Stammwort. Aus g. * dugunþi f. Tugend , auch in anord. dygđ, ae. duguþ, afr. dugethe. Schon seit alters an taugen angeschlossen, was wohl die… …   Etymologisches Wörterbuch der deutschen sprache

  • Tugend — Tugend, 1) soviel wie Tauglichkeit, Vorzüglichkeit, Vortrefflichkeit; daher z.B. die heilkräftigen Wirkungen gewisser Pflanzen etc. bisweilen T en genannt, auch Thieren, namentlich den Pferden, T e zugeschrieben werden. Der wissenschaftliche… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Tugend — Tugend, der Etymologie nach soviel wie Tauglichkeit, Tüchtigkeit, dem jetzigen Sprachgebrauch nach insbes. diejenige Tüchtigkeit, Ordnung und Harmonie des geistigen Lebens, die auf der zur Gewohnheit gewordenen Betätigung der sittlichen Freiheit… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Tugend — Tugend, der göttliche Adel der menschlichen Seele, die einzige wahre Führerin durch die Irrgänge der Erdennacht, – das ernstliche, unausgesetzte Bestreben in unserer Brust, das Gute und Rechte um sein selbst willen zu thun und zu wollen. Die… …   Damen Conversations Lexikon

  • Tugend — ↑Arete …   Das große Fremdwörterbuch

  • Tugend — Tugend: Das westgerm. Substantiv mhd. tugent, ahd. tugund, niederl. deugd, aengl. duguđ gehört mit dem anders gebildeten schwed. dygd zu dem unter ↑ taugen behandelten Verb und bedeutete ursprünglich »Tauglichkeit, Kraft, Vortrefflichkeit«. Unter …   Das Herkunftswörterbuch

  • Tugend — 1. Ade, Tugend, hab ich Geld, so bin ich lieb. – Petri, III, 1. 2. Alle Tugend hat aufgehört, Gerechtigkeit ist auch zerstört; der Geistlich irrt, das Geld regiert, die Simonie hat die Welt verführt. – Sutor, 190. 3. Alle Tugend muss sich an den… …   Deutsches Sprichwörter-Lexikon

  • Tugend — Unter Tugend (herkömmlich: taugen im Sinne einer allgemeinen Tauglichkeit, lateinisch virtus, griech. ἀρετή, arete) versteht man eine Fähigkeit und innere Haltung, das Gute mit innerer Neigung (das heißt: leicht und mit Freude) zu tun. Im… …   Deutsch Wikipedia

  • Tugend — Freundlichkeit; Güte; Tugendhaftigkeit * * * Tu|gend [ tu:gn̩t], die; , en: a) <ohne Plural> moralische Untadeligkeit, vorbildliche Haltung eines Menschen: er, sie ist ein Mensch von unangefochtener Tugend. Syn.: ↑ Anstand. b) bestimmte… …   Universal-Lexikon

  • Tugend — die Tugend, en (Mittelstufe) gute Eigenschaft, Vorzug Beispiel: Geduld ist eine große Tugend. Kollokation: Tugend der Bescheidenheit …   Extremes Deutsch

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”